Haftungsszenarien

Texte von: Dr. Seyavash Amini

Haftungsszenarien in einem Online-Repositorium

Fall 1: a) Doktorand D publiziert seine Dissertation beim Universitätsrepositorium R, das diese Open Access veröffentlicht. Allerdings behauptet der Neider N, dass D wesentliche Teile des Textes aus seinem, noch unveröffentlichten Dissertationsmanuskript entnommen habe. N fordert R auf, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, die Publikation aus der Repositoriums-Datenbank zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Lösung: Hinsichtlich der Rechtsverletzung trifft N die Darlegungs- und Beweislast. Soweit D tatsächlich das Urheberrecht des N verletzt hat, ist das Universitätsrepositorium als Mitstörer verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich eine entsprechende Rechtsverletzung nicht wiederholt. Das Repositorium ist zwar nicht verpflichtet, die strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kann allerdings i.d.R. nur auf diesem Wege die indizierte Wiederholungsgefahr ausräumen. Weigert sich das Repositorium, droht eine einstweilige Verfügung bzw. Unterlassungsklage und im Falle eines Obsiegens des N die Auferlegung der Prozesskosten.

 

b) Wie a), allerdings hat D nachweislich aus der Doktorarbeit des N ganze Passagen in seine eigene Arbeit kopiert. Das Hochschulrepositorium R gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und zahlt EUR 500,-. R begehrt nun von D die Rückerstattung des gezahlten Geldes. Bei der Aufnahme ins Archiv hatte D ein Formular unterschrieben, auf dem er versicherte, keine Rechte Dritter zu verletzen und R im Falle einer Inanspruchnahme durch Dritte freizustellen. Kann sich R bei D schadlos halten?

Lösung: Dadurch, dass D vorsätzlich ein Plagiat hergestellt und dieses dem R eingereicht und wider besseres Wissen erklärt hat, keine Rechte Dritter zu verletzen, hat D eine Pflicht aus dem mit R geschlossenen Vertrag verletzt. Daher ist D dem R infolge der vertraglichen Freistellungsklausel zum Ersatz der EUR 500,- verpflichtet.

 

Fall 2: Professor P gibt über den an seiner Hochschule ansässigen Universitätsverlag das Open Access publizierte Sonderheft „Das MULTIMEDIA-Xtrem“ heraus. Das Heft wird über das hochschuleigene Repositorium R veröffentlicht. Verleger V fordert R auf, die Publikation vom Netz zu nehmen, da die Gefahr der Verwechslung mit der von ihr verlegten Zeitschrift „Multimedia“ bestehe.

Lösung: Die Aufforderung des V gegenüber R begründet eine Verpflichtung, die vermeintliche Rechtsverletzung zu untersuchen. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um einen offensichtlichen Verstoß: zum einen ist zunächst fraglich, ob der Titel „Multimedia“ überhaupt schutzfähig oder nur rein beschreibend ist, zudem ist unklar, ob der Zusatz „Xtrem“ beim beanstandeten Werk die Verwechslungsfähigkeit aufhebt, denn schließlich gehört die Frage der Verwechslungsfähigkeit eines Zeichens zu den schwierigsten Fragen im Kennzeichenrecht. Aus dem Grund scheidet eine Inanspruchnahme des R als mittelbarer Störer aus; das Begehren des V ist nicht begründet.

 

Fall 3: Historiker H veröffentlicht auch bei dem institutionellen Repositorium R eine Monographie zur Verstrickung einer Adelsfamilie im Dritten Reich. Der Angehörige A der Familie erklärt, die von H behaupteten Tatsachen entsprächen nicht der Wahrheit und verlangt von R die Entfernung des Werkes aus dem Internet. Zur Begründung der Rechtsverletzung legt A dem R ein kürzlich in der Sache gegen H ergangenes rechtskräftiges Urteil vor, indem das Gericht eine Rechtsverletzung angenommen hatte. R weigert sich jedoch, zu Recht?

Lösung: Infolge des Hinweises des A erwächst für den Betreiber des Repositoriums eine Pflicht, eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung durch H zu untersuchen. Allerdings ist es dem Repositorium nicht zumutbar, den Wahrheitsgehalt der Äußerungen des H durch Nachforschungen nachzuvollziehen, m.a.W. liegt kein offensichtlicher Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Angehörigen der Familie A vor. Allerdings hat A vorliegend R einen gerichtlichen Titel vorgelegt, der seine Rechtsauffassung bestätigt. Das Repositorium ist somit als mittelbarer Störer für die Persönlichkeitsrechtsverletzung mit verantwortlich.

(Quelle der Fälle und Lösungen: P. Weber in : Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access Publikationen, S. 152 ff., (Hrsg.: G. Spindler)

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